'Ich hab’ eine Überraschung
für dich!’ hatte er am Telefon gesagt. 'Kannst
du kommen?’ Natürlich war sie sofort neugierig
gewesen. Was hatte er sich diesmal ausgedacht? Er war immer
für eine besondere Idee gut. Sie stieg in ihr Auto und
fuhr los. Seine Anweisungen waren präzise. 'Du musst
nach der Brücke rechts abbiegen, dort ist dann ein kleiner
Parkplatz, da warte ich auf dich.’ Gut, sie würde
kaum zehn Minuten brauchen. Beinahe hätte sie die Abzweigung
übersehen. Er wartete, lässig an seinen Wagen gelehnt.
Sein Kuss war aufregend wie immer. Auf ihre Frage, wo es denn
nun hinginge, bekam sie nur ein Schulterzucken als Antwort.
'Steig’ ein, du wirst schon sehen.....!’
Er fuhr los, entlang des Flusses, an
dessen Ufern sich die Schwäne tummelten. Sein Blick streifte
sie von der Seite, seine Hand drückte ihre beruhigend.
Die Straße war holprig, schien kein Ende zu nehmen.
Vorbei ging es an Häusern, an Schrebergärten. Bei
einem alten Bauernhaus bog er plötzlich ab, hinein in
den Hof. Sie sah, dass das Alte harmonisch mit Neuem ergänzt
worden war. Langsam stieg sie aus, lächelnd reichte er
ihr die Hand und zog sie mit sich zu einem Stiegenaufgang.
Sie hatten kein Wort gesprochen, auch jetzt wagte sie nicht,
die spürbare Spannung zu unterbrechen. Steile Stufen
führten nach oben.
Er zog Schlüssel aus der Tasche,
öffnete eine Tür. Fragend sah sie ihn an. 'Nur herein!’
sagte sein Blick. Die Wohnung war klein, unmöbliert bis
auf eine neue blitzblanke Küche. Die Fenster gingen Richtung
Waldrand und sie öffnete eines, atmete die würzige
Luft tief ein. Er trat hinter sie, legte seine Arme um sie.
'Und?’ hörte sie ihn fragen. 'Gefällt es dir?’
Sie wandte sich um, sein Gesicht dicht vor ihrem. 'Ja, ich
finde es schön hier!’ Sie spürte, wie er ihr
etwas in die Hand drückte, ihre Finger zu einer Faust
schloss. 'Es ist ideal für uns beide!’ Seine Worte,
ersehnt, erhofft, erwartet. 'Es ist unser Platz, unser Zuhause!’
Wie glücklich war sie damals gewesen.
Wie oft war sie jenen Weg gefahren zu diesem verzauberten
Ort, diesem Haus, das so viel Geborgenheit und Glück
ausstrahlte. Wie oft hatte sie aus dem Fenster gesehen, in
der Ferne die Berge betrachtet und nicht weit entfernt den
Bach plätschern gehört. Sie hatte sich gewünscht,
diesen Traum immer weiter zu träumen, ihr Glück
festzuhalten.
Sehnsuchtsvoll kehrten ihre Gedanken
heute an jenen Ort zurück. Wieder hin zu fahren brachte
sie nicht übers Herz. Zu lieb gewonnen hatte sie jede
damit verbundene Kleinigkeit: die Zufahrtsstraße, die
sich am Fluss entlang schlängelte; den Kies unter ihren
Füßen, wenn sie über den Hof ging; die knarrende
Treppe hinauf zur Wohnungstür; der Blick hinaus auf die
satten Wiesen und seine Begrüßung, wenn er zur
Tür hereinkam. In ihren Erinnerungen war jenes Haus Zuflucht
und Anker.
Er hatte den Anker gelichtet und war
weitergesegelt.
Ach, was soll’s, dacht sie. Nicht
wegen ihm war es dort so schön gewesen. Es war die unglaubliche
Ruhe, die dich so fasziniert hat. Die Abgeschiedenheit und
das Gefühl, dem Alltag ein wenig entflohen zu sein. Sie
konnte zumindest versuchen, sich das einzureden. Dann könnte
sie ja irgendwann einmal wieder dort hin fahren und eine Runde
um das Haus drehen. Einfach so!